Stadtverband Dortmunder Gartenvereine e. V.
GV. „Buschmühle“
Kreative (M)Auszeit mit jeder Menge inspirierender Kunst
Am 14. und 15. September war es einmal mehr soweit: Der Gartenverein Buschmühle, „Am Segen 7“, öffnete zum sechsten Mal bei herbstlich kühlem, aber sonnigem Wetter seine Gärten zu seiner für Dortmunder Anlagen außergewöhnlichen Kunstausstellung. Süßes Motto-Tier des diesjährigen Flyers zum Thema „Mauszeit“ war die von Karsten Kleffmann entworfene aufziehbare Wühlmaus mit riesigen Augen und langen Ohren. Die Assoziation Maus und Auszeit war gewollt.
Bei der Eröffnungsrunde stellte das Organisationsteam unter Leitung von Renate Gaßmann (Vorsitzende), Regine Anacker (Pressearbeit) und Ingrid Lacher alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler vor, insbesondere die sieben Debütanten: Birgit Feike, Martin Hölzemann, Marina Markgraf, Renate Ohnemus, Monika Pfeiffer, Roul Schneider und Kirsten Schulte de Castro.
Gestärkt von einem Glas Sekt starteten wir unsere Augenreise durch die 14 von 22 beteiligten Gärten, in denen wir herzlich mit Kaffee und Kuchen bewirtet wurden. Wie sich herausstellte, hatten alle Arbeiten einen Bezug zu den Themen Umwelt, Pflanzen und Natur und damit natürlich zu Gärten.
Im Garten von Gisela und Maja Lange werden wir von verzauberten Blumen, die uns mit großen, freundlichen Augen fixieren, empfangen. Knallbunte florale Objekte mit klar abgegrenzten graphischen Linien vervollständigen das Bild. Am Eingang eine silberne Plastik, die an einen abgestorbenen Baum erinnert. Die Künstlerin Almut Rybarsch-Tarry arbeitet vorzugsweise mit Alltagsmaterialien, die in ihren Plastiken eine neue kreative Bedeutung erhalten.
Zunächst unscheinbar daher kommen die an Wollgras erinnernden filigranen Pflanzenstängel von Dina Nur. Die Überraschung: Im Innern jeder Blüte versteckt sich eine winzige, silberne, menschliche Figur.
Marina Markgraf überrascht mit unterschiedlichen Drucktechniken auf der Grundlage von Tomatenpflanzen. Entstanden sind dabei bizarre und ansprechende Graphiken im Hell-Dunkel-Kontrast.
In Ingrid Lachers Garten findet man ihre fotografischen Impressionen aus der Natur, die sich teilweise auf langen Ästen dem Betrachter entgegen neigen. So kann man die wabernden Pfützen und zarten Blüten besonders gut sehen. Eingemachte Pflanzen weisen auf hochsommerliche Dürre hin. Ihre „blattgetretenen Blätter“ baumeln an einer Trauerweide wie an ihren Ursprungsort zurückgekehrt. Abbildungen von großen Blättern in verschiedenen Stadien des Verfalls werden durch zarte Goldauflagen wieder wertvoll.
Lustige knallbunte Figuren aus Korken und Klorollen sind der Beitrag von Karin Schmidt in diesem Garten, aber auch eine farbenfrohe Grafik mit ineinander verwobenen Formen und Mustern.
Sehr viel Aufwand betreibt Martin Hölzemann mit seinen ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Naturstillleben, Kunst- und Architekturmotiven, die er mit seiner selbst gebauten Großbildkamera ablichtet. Er arbeitet analog mit Filmen, die er selbst entwickelt. Die 10 mal 15 Zentimeter großen Negative enthalten, wie er sagt, mehr Bildinformationen und ermöglichen ihm ein besseres Spiel mit der Schärfe.
Am Tor des Gartens von Regine Anacker, in dem Roul Schneider ausstellt, wacht ein lebensgroßer Schamane oder Erdmensch als Wächter und Beschützer der Natur. Artefakte aus vielen Ländern und Weltreligionen lenken den Blick hier auf deren Schönheit. Von der analogen Fotografie kommend, projiziert er seine Aktbilder auf rostige Eisen- oder Erdplatten und weist damit auf Themen wie Geburt und Vergänglichkeit hin. Überhaupt ist Erde für ihn ein bevorzugtes gestalterisches Element. Kosmetikspiegel werden in Reliefs verwandelt, die sich mit den Themen Erde und Natur und deren Zerstörung beschäftigen.
Als durchaus sozialkritisch sind die Arbeiten des Künstlers und Fotografen Hendrik Müller einzuordnen. Beliebte Motive sind Graffiti in ihrer Vergänglichkeit. Impressionen für seine Panoramapostkarten findet er in Lost Places, in verfallenen Gebäuden oder bei großen Menschenansammlungen. Ein besonderes Projekt für ihn war ein Heft über Jugendarmut, das von Jugendlichen aus problematischen Verhältnissen selbst gezeichnet wurde.
Wer denkt, Absperrbänder sind nur für die Mülltonne geeignet, der wird von Birgit Feike eines Besseren belehrt. Sie setzt auf den ästhetischen Wert dieses Alltagsmaterials, um damit rot-weiße Geflechte in verschiedenen Zusammenhängen zu schaffen. Das können Würfel und Bälle, aber auch großflächige Gestaltungen in der Stadt oder Natur sein.
In Renate Gaßmanns Garten findet man Exemplare des von ihr mitgestalteten Kunstheftes Artic. In dem alle zwei Jahre erscheinenden Heft geht es immer um ein Wort, wie zum Beispiel „Netz“, das in seiner doppelbödigen Bedeutung in Schrift und Bild beleuchtet wird. Daraus ergeben sich erstaunliche Texte, Gedichte, Bilder und Grafiken. Sehenswert auch die aufwendig in Handarbeit gestalteten Umschläge.
Claudia Terlunen lässt in ihrem Garten weiße und gelbe „Scheinpilze“ in Anlehnung an Schleimpilze wachsen, die aus einem netzartigen Gewebe bestehen. Einer der Pilze wird künstlich bewegt, wie auch die kinetischen Objekte von Karsten Kleffmann, die durch einen Elektromagneten so programmiert sind, dass sie langsamer und schneller schaukeln können. In einem anderen Baum schaukelt die riesige Fahne von Sabine Held, die aus verschiedenen bedruckten textilen Flächen besteht und vom Kontrollverlust durch die Population von Ratten im Untergrund erzählt.
Anne Jannicks Material der Wahl sind Kleiderbügel. Im Garten von Marion Schwiertz scheinen sie wie riesige Orchidenblüten an einem Baum zu wachsen oder als seltsame Pflanzen aus dem Boden zu sprießen, während im selben Garten Renate Ohnemus Fotokarten mit Inspirationen aus der Natur anbietet, die von den Themen Wolken, Meer, Strukturen, Blumen, Gärten, Märkte und manchem mehr handeln.
Monika Pfeiffer arbeitet mit alten Holzplatten, fasziniert von den rustikalen Strukturen, die sie monochrom bemalt hat. Sie ist motiviert von diesem besonderen Material und möchte Altes und Neues kombinieren.
Etwas auf die Ohren bekommt man bei Silvia Liebig in Form von Hörcollagen. In der ersten geht es um die Entwicklung des Stadtteils Hörde, von der Industriekultur zum angesagten Stadtteil am Phönix-See, in der zweiten um Assoziationen zum Thema „Die blaue Blume“, gesprochen von vielen verschiedenen Menschen.
Johanna Goedert lässt die Sonne für sich arbeiten, indem sie Blätter auf fotoempfindliches Papier legt. Die Motive erscheinen später wie geisterhaft auf blauem Grund und weisen interessante Strukturen auf.
Frauen aus Modezeitschriften nimmt Kirsten Schulte de Castro auseinander, um in Form von Collagen und Drucken einen neuen Sinnzusammenhang herzustellen. Sie hinterfragt damit kritisch das Thema „Frauen“ in den Medien.
Höhepunkt am Sonntag war eine Aufführung des Sprechchors Dortmund mit einer Szene aus den „Metamorphosen“ von Ovid. Der Musiker Roman Metzner spielte den Gott Apoll, der um seinen geliebten Hyacinthus trauert. Auf der Wiese neben dem Teich im Eingangsbereich der Gartenanlage schlüpfte der Chor in mehrere Rollen: als Priester, als selbstherrliche Götter und als Hyazinthus selbst. Mit dem gälischen Lied „Will Ye Go, Lassie, Go?“ endete das kleine Theaterstück.
Hut ab, dass der Verein es alle drei Jahre immer wieder schafft, eine so inspirierende Ausstellung auf die Beine zu stellen.
Fotos und Text: Bea Wild