Eine Bank unter dem Apfelbaum: Wie eine erfahrene Fachberaterin ihr Amt übergibt
Vielfältig sind die ehrenamtlichen Tätigkeiten im Stadtverband Dortmunder Gartenvereine. Eine besonders interessante und ebenso wichtige Aufgabe ist hierbei die des Fachberaters oder der Fachberaterin. Hanne Blomberg-Winden hat das Ehrenamt 2016 von ihrem Vorgänger Ingo Klammer übernommen. Der hatte die verantwortungsvolle Aufgabe über zwanzig Jahre lang mit ausgewiesener Expertise und großer Leidenschaft im Dortmunder Kleingärtnerverband geprägt. In diesem Jahr hat Hanne Blomberg-Winden das Amt an ihre Nachfolgerin Kerstin Michel übergeben. Im Interview berichten die beiden begeisterten Kleingärtnerinnen über ihre eigene „Kleingartengeschichte“, wie es zur Amtsübergabe kam, was die Herausforderungen sind und welche Bedeutung die Fachberatung für die Mitglieder der Kleingartenvereine allgemein und speziell in Dortmund hat.
Kerstin Michel übernimmt das Amt der Verbandsfachberaterin von Hanne Blomberg-Winden
Frau Blomberg-Winden, Sie geben das Amt der Fachberaterin ab. Warum?
Hanne Blomberg-Winden: Ich habe mir Frau Michel ausgeguckt. Wir haben zum ersten Mal 2017 zusammen im Rosengarten im Westfalenpark eine Fachberatung durchgeführt. Da haben wir uns kennengelernt. Mir war von vorneherein klar, wenn ich mal keine Lust mehr habe …
Warum haben Sie keine Lust mehr?
Hanne Blomberg-Winden: Ich habe das acht Jahre lang gemacht. Ich bin bald 78. Frau Michel ist viele Jahre jünger als ich. Außerdem ist sie für diese Sache leidenschaftlich engagiert. Ich habe das Amt seinerzeit von Ingo Klammer übernommen, der das zwanzig Jahre lang oder mehr gemacht hat. Der hat mir in all den Jahren Schutz gegeben. Ich erinnere mich noch an die erste Veranstaltung in einem Kräutergarten. Da habe ich gedacht: „Was sollst du diesen vielen Leuten erzählen?" Ingo Klammer hat mich die erste Zeit begleitet. Das fand ich richtig klasse.
Kerstin Michel: Ich sage mal, dass du sehr, sehr beliebt bist bei den Kleingärtnern.
Hanne Blomberg-Winden: Das war eine schöne Zeit. Wir haben im Prinzip mit nichts angefangen. Am Anfang kamen vielleicht mal zwölf Leute zu einer Veranstaltung. Als wir dann die Tomatengeschichte machten, waren es 120 Menschen, die die Fachberatung besucht haben. Ähnlich beim Thema Kartoffeln. Da kam Herrn Scheiper von Scheipers Mühle und Julian Freisendorf, der als Bauer Kartoffeln anbaut. Das war ebenfalls eine tolle Veranstaltung.
Was hat Sie denn vor acht Jahren motiviert, das Amt der Fachberaterin zu übernehmen?
Hanne Blomberg-Winden: Ich hatte auf so etwas gar keine Lust. Ich bin immer zu den Fachberatungen gegangen, das mochte ich. Der Ingo war ein toller Typ. Der hat seit 1953 hier im Verband gearbeitet und wusste fürchterlich viel. Wenn ich etwas nicht wusste, konnte ich ihn fragen. Als ich dann gefragt wurde, ob ich das Amt übernehmen möchte, habe ich gesagt: „Wenn ich dich immer fragen kann, ja.“ Diese Sicherheit im Notfall zu haben, war mir wichtig. Dann hat sich das alles so ergeben.
Aufgrund der Erfahrungen bei der Übernahme des Amtes als Fachberaterin machte sich Hanne Blomberg-Winden bereits bei der Amtsübernahme Gedanken über die Nachfolge.
Hanne Blomberg-Winden: Ich habe sofort gedacht, wenn ich mal irgendwann aufhöre, möchte ich nicht, dass das irgendwer macht. Ich möchte gerne den Menschen kennenlernen, der das weitermachen soll.
Von Kind an im Kleingarten groß geworden
Kerstin Michel hat nun die Fachberatung im Stadtverband Dortmunder Gartenvereine e. V. von Hanne Blomberg-Winden übernommen. Die Bürokauffrau hat seit frühester Kindheit eine enge Verbindung zu Gärten und Kleingärten.
Kerstin Michel: Ich bin von Kind an im Kleingarten groß geworden. Meine Omas hatten beide einen Garten. Die eine einen Kleingarten und die andere einen großen Garten hinter dem Haus. Wir haben im Garten gesessen, wir haben im Garten gespielt, wir haben im Garten gegessen, wir haben uns im Garten getroffen. Die ganze Kindheit hat sich, sobald es draußen schön war, im Garten abgespielt. Später wollte ich immer einen Kleingarten haben. Aber es hat sich nicht ergeben. Mein Mann wollte gerne Campingwagen fahren. Doch Camping ist nichts für mich. Ich wollte immer so ein Häuschen haben. Das hat nicht geklappt und ich habe gesagt: dann vielleicht ein Kleingarten. Und so haben wir 2014 in unserer Nähe tatsächlich einen Kleingarten bekommen.
Und wie sind Sie, Frau Blomberg-Winden, an den Kleingarten gekommen?
Hanne Blomberg-Winden: Irgendwann stand in der Tageszeitung, dass nach dem U-Bahnbau ein Grundstück freigegeben worden ist, um da Kleingärten einzurichten. Da habe ich meinen Mann angerufen und gesagt: Da gibt es jetzt neue Kleingärten. Wollen wir mal gucken? Das wäre doch schön, dann könnten wir mit den Kids immer dahin. Dann haben wir uns das angeguckt, und zack hatten wir die Fläche. Das war kein Garten, sondern nur ein Acker, der in Parzellen abgesteckt war. Das war vor 40 Jahren. Meine Eltern hatten früher auch einen Garten, meine Omas auch. Daher war klar, dass wir alle auf dem Acker herumgerannt sind, und Steine gesammelt haben. Für die Kinder war das auch gut. Die konnten auf den Wegen herumtoben.
Hat sich mit dem Garten die Lebensqualität für Sie verbessert?
Hanne Blomberg-Winden: Absolut. Ich wohne mitten in der Stadt. Der Kleingarten ist zu Fuß 20 Minuten weg. Besser geht’s nicht.
Der Kleingarten hat das bisherige Leben begleitet. Im eigenen Kleingarten hat sich das Leben abgespielt. Der Kleingartenverein ist zum festen Bestandteil des Lebens geworden. Hanne Blomberg-Winden und Kerstin Michel haben Verantwortung im Kleingartenverband übernommen. Was reizt sie am Ehrenamt? Warum macht man das?
Verantwortung im Kleingartenverband
Hanne Blomberg-Winden: Wir waren damals über 30 Neugärtner, die sich auf dieser Fläche ausgebreitet haben. Mein Mann und ich waren die Neuen und haben Tipps von den Alten bekommen. Das hatte der damalige Vorstand schon gut organisiert. Der hat immer gesagt: „Dein Nachbar ist der Helmut. Wenn Du etwas wissen willst, frag den.“ Das war total genial. Und so hat es sich ergeben, dass man mit den anderen auch die Verantwortung für die Gartenanlage hatte. Und in den sogenannten Pflicht- oder Gemeinschaftsstunden hat man sich dann kennengelernt. Irgendwann hat sich ergeben, dass man bestimmte Sachen einfach gemacht hat. Man hat freiwillig Aufgaben übernommen. Alleine bei den Gartenfesten waren ja alle involviert. So ist das entstanden.
Kerstin Michel: Bei mir war es so: als ich in den Garten kam, habe ich gerne in diesem Garten gearbeitet. Das hat mir und meinem Mann Freude gemacht. Der Vorstand hat das gesehen und die haben gefragt: Möchtest du dich aufstellen lassen? Dann hat sich der Vorstand in unserem Verein neu gebildet. Ich wurde gefragt, was ich machen möchte. Meine Antwort: Wenn ich etwas mache, dann werde ich Gartenfachberaterin. Ich habe zwar keine Ahnung, was eine Gartenfachberaterin macht, aber ich arbeite gerne im Garten und kann über Pflanzen reden und über Obst. Das ist so mein Ding. Darüber würde ich gerne reden.
Ich habe damals auch gesagt: Wenn ich mich als Fachberaterin wählen lasse und wenn ich etwas mache, dann möchte ich es richtig machen. Ich wurde auf den Landesverband in Lünen aufmerksam gemacht, dass dort Fachberatungslehrgänge stattfinden. Da habe ich gesagt, dass ich Fachberaterin werden möchte. Ich lasse mich schulen, mache auch eine Prüfung, und möchte das wirklich von der Pike auf lernen.
Nun sind Sie, neben der Fachberaterin in ihrem Kleingartenverein, zur Verbandsfachberaterin gewählt worden. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Kerstin Michel: Der Jahresplan stand ja fest, als ich im April von der Mitgliederversammlung gewählt wurde. Ich habe am Anfang erstmal alles übernommen, weil ja eine geschätzte Fachberaterin gegangen ist, die bei den Gärtnern sehr beliebt und gefragt war. Am Anfang war es schon so, dass man gesagt hat: „Wer weiß, wie das jetzt wird. Jetzt kommt jemand, und hoffentlich kann die das auch.“ Man war schon ein bisschen skeptisch. Ich habe mir gesagt, dass ich einfach nur überzeugen kann, und habe vieles beibehalten. Natürlich bringt man auch neue Sachen rein. Sodass die Leute einen allmählich kennenlernen, und dass sie das selbst wollen.
Und wie sehen die Planungen für das kommende Jahr aus?
Kerstin Michel: Ich habe im Juli angefangen zu planen. Zunächst muss man erstmal die Themen und die Referenten finden. Gucken, was interessant ist. Ich habe auch viele Gärtner gefragt, was sie interessieren würde, was wir im nächsten Jahr machen sollten. Auch die Fachberater: welche Themen für sie wichtig sind. Ich habe das gesammelt und bin dann nach Referenten auf die Suche gegangen. Wenn man auf Veranstaltungen ist, findet man diese Menschen. Ich habe konkret vorgeschlagen, welche Themen wir behandeln könnten. Aber der Plan steht noch nicht. Da ist noch nicht alles final.
Was waren bei der Übergabe die Herausforderungen?
Kerstin Michel: Ich habe immer wieder gefragt, was ich jetzt machen muss. Die erste Zeit gab es schon viele Abstimmungen mit Hanne. Man muss viel miteinander sprechen. Es ist nicht so, dass man das von jetzt auf gleich macht. Ich habe lange darauf hingearbeitet, und habe immer angeschaut, wie Hanne das macht. Ich habe viel gefragt, und wir haben uns viel ausgetauscht. Ich habe mich wirklich sehr dafür interessiert. Nicht dass ich gesagt hätte, ich will das mal irgendwann machen, sondern es hat mich einfach interessiert. Ich habe gesagt: Mach dein Amt so lange, wie du es möchtest.
War das ein Zeitraum von mehreren Jahren?
Kerstin Michel: Sechs Jahre habe ich mich quasi auf dieses Amt vorbereitet. Das war eine lange Zeit.
Hanne Blomberg-Winden: Ich finde, das haben wir gut gemacht.
Kerstin Michel: Das finde ich auch.
Sie haben sich von Anfang an gut verstanden?
Kerstin Michel: Ja, sicher.
Hanne Blomberg-Winden: Ich war auch so froh, dass Kerstin für diese Sache brennt. Das muss man. Sonst wird das nicht so toll.
Kerstin Michel: Ich habe viel Unterstützung bekommen. Und ich habe am Anfang ja auch viele Fragen gehabt. Selbst wenn ich als Fachberaterin Fragen zu Themen im Garten hatte, konnte ich immer jemanden um Rat fragen, auch wenn es um Abläufe im Vorstand des Verbands ging. Man muss sich da erstmal finden. Und natürlich gibt es da, wo Menschen arbeiten, Reibereien. Das ist einfach so. Man hat teilweise unterschiedliche Meinungen.
Man muss allerdings sagen, dass der Vorstand des Stadtverbands stark unterstützt. Auch ich wurde sehr unterstützt. Sie haben auch gesagt: „Das ist die neue Fachberaterin. Wir möchten, dass ihr sie unterstützt.“
Hanne Blomberg-Winden: Das muss auch so sein, wenn man in einem solchen Rahmen tätig ist. Man muss sich vertrauen.
Freizeit im Garten
Frau Blomberg-Winden, was machen Sie denn jetzt mit Ihrer gewonnenen Freizeit?
Hanne Blomberg-Winden: Ich habe einen Garten.
Haben Sie noch einen Tipp oder Ratschlag, was man in der Funktion des Fachberaters oder der Fachberaterin im Kleingartenverein wissen sollte?
Hanne Blomberg-Winden: Ich denke immer an die Fachberater, die es nicht so schön hatten, wie ich es in meinem Verein hatte. Ich kenne jeden Gärtner, die Partner, die Kinder mit Namen. Wir sind 135 Gärten, aber das passt. Das läuft einfach prächtig. Das organisiere nicht nur ich allein. So haben beispielsweise zwei Frauen aus unserer Anlage die Idee entwickelt, am Tag des Gartens einen Kinderflohmarkt zu veranstalten – jedoch nicht zentral in der Anlage, sondern verteilt auf jede Parzelle. Das erleichtert das Aufräumen und funktioniert wunderbar. Mit nur drei Helfern haben sie das auf die Beine gestellt, und alle waren begeistert: Eine tolle Idee, die wir gemeinsam umsetzen! Wir sind eine Gemeinschaft.
Das klingt so, wie das Leben in einem Dorf?
Hanne Blomberg-Winden: Genau so ist es. Wir haben schon fantastische Dinge auf die Beine gestellt, wie unser Suppenfest direkt auf dem Gartenweg, mit zwölf verschiedenen Suppen! Es war ein voller Erfolg. Auch beim Kartoffelfest haben viele Mitglieder ihre eigenen Kartoffelgerichte beigesteuert. Solche Veranstaltungen funktionieren nur, weil bei uns in der Anlage wirklich alles harmoniert. Es läuft reibungslos, fast wie in einem kleinen Dorf. Wir haben eine großartige Kassiererin, einen engagierten Vorstand und viele helfende Hände, die sich ganz selbstverständlich einbringen, auch wenn sie keine offiziellen Posten haben.
Als Verbandsberaterin versuchen Sie also, sich in möglichst allen Vereinen einzubringen?
Kerstin Michel: Genau. Für mich ist es wichtig, als Ansprechpartnerin für die Fachberater da zu sein, sie zu motivieren und zu schulen. Dabei zählt vor allem ein respektvoller Umgang miteinander – unabhängig davon, wer wir sind, woher wir kommen oder welche Sprache wir sprechen. Das spielt keine Rolle, denn wir teilen eine gemeinsame Leidenschaft: das Gärtnern. Diese Verbundenheit hilft uns, in einer oft unruhigen Welt die Schönheit der Natur bewusst zu erleben und zu vermitteln. Bei uns beginnt der Frieden, den wir leben und weitergeben wollen. Menschlich und gemeinschaftlich – das ist unser Ziel, unser Leben. Im Mittelpunkt steht das Gärtnern und die Freude an der Natur.
Hanne Blomberg-Winden: In der Dortmunder Satzung steht, dass man gut miteinander umgehen soll.
Kerstin Michel: Es ist so. Jede Begegnung mit einem Menschen erzielt eine Reaktion. Ich finde es immer sehr schön, wenn ich hier in der Fachberatung stehe, oder vielleicht auch referiere, und Menschen fangen an zu lächeln und freuen sich darüber. Dann denke ich mir, dass ich alles richtig gemacht habe.
Wie sieht Ihr persönlicher Traumgarten aus?
Kerstin Michel: Mein Traumgarten sieht ein bisschen wild aus. Er hat viele Insekten und viele Vögel, viele Blumen, viel Gemüse und Obst. Und eine Bank unter dem Apfelbaum. Er muss einfach natürlich sein. Jedes Lebewesen sollte sich in diesem kleinen Bereich gut fühlen.
Hanne Blomberg-Winden: Eine Bank unter dem Apfelbaum. Wir haben diesen Garten seit 40 Jahren. Seitdem wir ihn haben, hat sich nichts an der Struktur geändert. Deshalb haben wir zwei alte Apfelbäume, und da steht eine tolle Bank drunter.
Wie war das Ernteergebnis dieses Jahr?
Hanne Blomberg-Winden: Gut. Wir hatten viele Kartoffeln. Keine Möhren. Wir hatten Schneckenalarm. Deshalb habe ich bestimmte Sachen gar nicht erst angebaut. Das, was wir angebaut haben, das war gut.
Und noch etwas zum Schluss: Ich bin froh, dass Kerstin das weitermacht. Ich hatte immer Angst, dass jemand kommt, der ganz anders ist, als ich mir das vorgestellt habe. Als ich dann Kerstin kennenlernte, war ich richtig froh.