The Journey is the Reward
Werner Heidemann und Karoline Podchull-Giesebrecht werfen gemeinsam einen Blick zurück und nach vorn
Mit Werner Heidemann ist unser langjähriger „Spielmacher“ vom Platz gegangen. In fast vier Jahrzehnten hat der Gartenbau-Ingenieur als Geschäftsführer die Geschicke unseres Verbandes geleitet und das Kleingartenwesen in Deutschland zukunftsfähig gemacht. Im Rahmen unserer Mitgliederversammlung in Münster-Hiltrup hat Werner Heidemann, Jahrgang 1955, jetzt das Ruder – und dies nicht nur im übertragenen Sinn – an Karoline Podchull-Giesebrecht, Jahrgang 1986, übergeben. Im Gespräch knüpfen die beiden an die Veranstaltung an, sprechen über das Kleingartenwesen und wichtige Projekte im Verband.
Karoline Podchull-Giesebrecht: Auf der Mitgliederversammlung der Kleingärtner in Westfalen und Lippe Anfang Mai bist du, lieber Werner, verabschiedet worden und hast mir als deiner Nachfolgerin ein Holzruder überreicht. Das hat einen tollen Symbolcharakter ...
Werner Heidemann: ... denn jetzt bist du am Ruder bzw. stehst du am Steuer ...
Karoline Podchull-Giesebrecht: ... nachdem du es mehr als 37 Jahre fest in der Hand hattest. Da kann man mit Fug und Recht sagen: Eine Ära geht zu Ende. Wie „hinterlässt“ du denn den deutschen Kleingarten, wo steht der deutsche Kleingarten heute?
Werner Heidemann: Wie ich ihn hinterlasse, sollen andere beurteilen. Was mir persönlich wichtig ist, das ist Folgendes: Nicht erst seit der Pandemie hat die Bedeutung von Kleingartenanlagen als Frei- und Erholungsflächen für breite Bevölkerungsschichten zugenommen. Es gefällt mir, dass heute auch Spazier- und Wanderwege, Spielplätze und -flächen, Lehrpfade und Besuchergärten das Gesicht von Kleingartenanlagen prägen. Gleichzeitig ist die städtebauliche Wirkung und Funktion von Kleingärten aktueller und wichtiger denn je. Kleingärten sind eben einfach „grüne Inseln im Häusermeer“. Kein Wunder, dass Kleingärten heute zunehmend sogar für das Stadtmarketing genutzt werden: Denn wer möchte nicht in einer Stadt im Grünen oder mit Grün leben, die Wert auf Garten- und Naturerlebnis legt ...
Karoline Podchull-Giesebrecht: Insgesamt muss man festhalten, dass du dich wie kein Zweiter um das Kleingartenwesen in Westfalen und Lippe verdient gemacht hat. Das haben auch die Laudatoren auf unserer Mitgliederversammlung noch einmal deutlich gemacht. Deine Aktivitäten haben der gesamten Kleingartenbewegung – in NRW, in Deutschland und in Europa – wertvolle Impulse gegeben. Die Laudatoren haben beispielsweise die Kunstaktionen in Kleingartenanlagen erwähnt, die unser Ansehen auch außerhalb der Gartenszene gefördert haben, oder die kulturellen Angebote unserer Landesschule. Mich haben von Anfang an auch die internationalen sozialen Partnerschaften beeindruckt, die du eingeleitet hast: ob mit den Kleingärtnern aus dem polnischen Pozna´n oder dem Kinderhilfswerk „Nadeshda“ in Belarus. Dieser „Blick über den Tellerrand“, diese Offenheit – das zeichnet dich einfach aus.
Werner Heidemann: Apropos Offenheit: Mit dem Slogan „Offen für alle“ wirbst du für die neue mediale Neuausrichtung des Verbandes. Was steckt dahinter?
Karoline Podchull-Giesebrecht: Die mediale Neuausrichtung ist eine der wichtigsten Aufgaben, der ich mich gleich zu Beginn widmen werde. Tatsächlich haben wir sie ja im vergangenen Jahr schon gemeinsam eingeleitet mit der Gestaltung unserer neuen Internetseite. Eine Grundlage dafür war der Beschluss, den Bezug des Magazins „Gartenfreund“ wegen der exorbitant hohen Herstellungs- und Vertriebskosten auslaufen zu lassen. Gleichzeitig haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie wir nicht nur unsere Mitglieder, sondern auch die große Zahl noch nicht im Verband organisierter junger Menschen mit Sehnsucht nach Natur und Garten „abholen“. Auch ihnen wollten wir unser Wissen und unsere Erfahrungen, aber auch das Programm unserer Landesschule zugänglich machen. Mein erklärtes Ziel ist es jedenfalls, alle Menschen mit in den Garten zu nehmen – wie der Slogan „Offen für alle“ besagt. Ideen gibt es schon viele: die Entwicklung eines Newsletters, die weitere Integration der Stadt- und Bezirksverbände in den Internetauftritt, viele neue Praxisfilme ... Das alles kann und soll auch dazu beitragen, das Kleingartenwesen in Westfalen und Lippe im Rahmen der IGA Metropole Ruhr 2027 als starke Marke zu integrieren – eine weitere Aufgabe, die mir wichtig ist. Unsere Landesschule in Lünen soll dabei zu einem echten Willkommensort werden.
Werner Heidemann: Mit der Landesschule gibst du mir ein weiteres gutes Stichwort: Eines deiner wichtigsten Projekte wird die energetische Sanierung des Gebäudes sein.
Karoline Podchull-Giesebrecht: Allerdings: Das Gebäude wurde ja in den 1990er Jahren gebaut und ist, wie so vieles, auch auf deine Initiative hin entstanden. Es war und ist modern und von jener Offenheit ausgestattet, die bis in die Gegenwart hineinreicht. Vor allem aber ist der Landesschule auch zu verdanken, dass wir als Landesverband in jedem Winkel von Westfalen und Lippe bekannt wurden. Auf der Mitgliederversammlung wurde daran noch einmal eindrucksvoll und auch mit einem Augenzwinkern erinnert. Anfangs waren nämlich durchaus dicke Bretter zu bohren und die Verbandspitze bereiste, mit einem Modell des Neubaus im Gepäck, unsere Vereine. Das hat gefruchtet. Jedes Mitglied hat hinterher seinen Beitrag – und zwar einen zusätzlichen finanziellen – dazu geleistet, dass die Landesschule gebaut werden konnte. Und so verstehen wir sie heute auch: als Ort, an dem sich die Mitglieder begegnen, der ihnen ein Stück weit auch „gehört“.
Werner Heidemann: Das Kleingartenwesen bringt die Menschen zusammen – und es ist in meinen Augen eine Querschnittsaufgabe mit vielen Beteiligten. Deshalb freue ich mich auch sehr, dass der Verband mit dir eine Netzwerkerin an Bord hat, die das Talent besitzt, Menschen miteinander in Verbindung zu bringen und Begeisterung für ein lebendiges Miteinander zu wecken. Du wirst schon den richtigen Kurs festlegen und ihn halten.
Karoline Podchull-Giesebrecht: Ein Verband muss alle mitnehmen – ob Mitglieder, Vereinsvorstände, Verwaltung, Politik, andere Institutionen und Verbände. Die Lobbyarbeit macht heute einen großen Teil der Arbeit eines jeden Verbands aus. Lobbyarbeit heißt für mich, die Interessen der Kleingärtner in der Öffentlichkeit zu vertreten. Da will ich mit der Politik und anderen relevanten Gruppen in die Diskussion gehen, um das Kleingartenwesen gut zu positionieren und um Lösungen zu finden, mit denen wir alle gemeinsam den wichtigen gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungen Rechnung tragen können.
Werner Heidemann: Du bist ja bereits im Juni vergangenen Jahres auf der Vorstandsratssitzung als designierte Geschäftsführerin vorgestellt worden und hast hinter den Kulissen schon an einigen Projekten mitgewirkt. Wie fühlt es sich denn an, im Verband zu arbeiten?
Karoline Podchull-Giesebrecht: Verbandsarbeit ist meine Berufung und das Thema Garten mehr als eine Herzenssache, denn ich bin in einem Familienunternehmen – einer Gärtnerei und Baumschule – groß geworden. Als ich Anfang des vergangenen Jahres die Ausschreibung für die Stelle als Geschäftsführerin im Verband gelesen habe, dachte ich: Das ist genau mein Profil! Das sind meine Themen! Das passt! In den ersten Gesprächen war direkt Vertrauen da, die Chemie stimmte. Mit diesen Menschen wollte ich gerne zusammenarbeiten, etwas schaffen. Bis zum offiziellen „Dienstbeginn“ Anfang Mai habe ich in der Geschäftsstelle schon hospitieren dürfen und konnte – noch mit dir – erste Pläne schmieden, aber auch erste Herausforderungen lösen. Insofern freue ich mich jetzt auf den Weg, der vor mir liegt – und ich werde mir die Inschrift, die du in das Ruder hast gravieren lassen, zu Herzen nehmen: „The Journey is the Reward“ oder „Der Weg ist die Belohnung.“ Das Holzruder werde ich auf jeden Fall in mein Büro hängen – als Erinnerung an eine außergewöhnliche und mit Blick auf deine Verabschiedung auch besonders emotionale Mitgliederversammlung, meine ersten Tage im Verband, verbunden mit dem Auftrag, für uns alle eine gute Route zu planen und Kurs zu halten. Ganz besonders freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit dem Vorstand, der sich nach der Verabschiedung des langjährigen Vorsitzenden Wilhelm Spieß ja auch neu aufgestellt hat. Aber wo liegt denn eigentlich dein neuer Hafen, Werner?
Werner Heidemann: Ich freue mich einfach darauf, die Gärten und Gewächshäuschen meiner Kinder und Enkel weiter mit ihnen zu gestalten, und ein buntes Tiny house zu bauen – wo auch immer das stehen wird. Das Reisen wird mich gewiss weiter durchs Leben begleiten. Für deinen Weg, liebe Karoline, auf dem ich dich noch ein Stück begleiten durfte, wünsche ich dir beruflich und persönlich alles Gute!