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Die Wertermittlung (Teil II): Praxisbeispiele

In meinem ersten Beitrag über die Wertermittlung konnten Sie die Tätigkeit und die Grundsätze eines Wertermittlers kennenlernen. Schauen wir in diesem Artikel einmal gemeinsam auf den Anwendungsfall und betrachten den Wertermittler bei der Arbeit. Was wird bei einer Wertermittlung aufgenommen? Wofür werden Abzüge vorgenommen? Lernen Sie mehr über die Wertermittlung mit praktischen Beispielen.

©Nuthawut Somsuk – istockphoto.com

Wann muss eine Wertermittlung durchgeführt werden?

Eine Wertermittlung ist immer dann notwendig, wenn eine der folgenden drei Situationen vorliegt:

1. Die Kündigung des Pachtvertrages durch den Pächter
2. Die einvernehmliche Aufhebung des Pachtvertrages
3. Die fristlose Kündigung des Pachtvertrages durch den Verein bei einer Räumungsklage

Stellen wir uns vor: Herr Klein ist Pächter einer Parzelle. Mit Beendigung seines Pachtvertrages und vor der Übergabe des Gartens an einen neuen Pächter ist eine Wertermittlung notwendig. Hierfür muss dem Vorstand jedoch eine ordnungsgemäße Kündigung seitens Herr Klein vorliegen. Doch wie wird anschließend eine Wertermittlung angestoßen?

Muss Herr Klein als Pächter die Wertermittler beauftragen?

Nein, das kann Herr Klein nicht tun. In unserer Satzung ist im § 18 Absatz 2 folgendes geregelt:

„Der Entschädigungsbetrag wird auf der Grundlage der Richtlinien des Landesverbandes Westfalen und Lippe der Kleingärtner e. V. für die Wertermittlung von Aufwuchs, Gartenlauben und sonstigen Einrichtungen in Kleingärten durch den vom Vorstand beauftragten Wertermittler (Ausschuss) ermittelt.“


Damit kommt nur dem Vorstand die Kompetenz zu, die Wertermittlung in der Parzelle von Herrn Klein anzustoßen. Das ist auch gut so, denn nur der Vorstand hat überhaupt Kenntnis darüber, ob in Herr Kleins Fall eine ordentliche Kündigung vorliegt.

©Olha Khorimarko – istockphoto.com

Der dritte oben beschriebene Punkt stellt einen Sonderfall dar. Eine Wertermittlung sollte hier erst vom Vorstand beauftragt werden, wenn die Räumungsklage rechtswirksam ist. Andernfalls riskiert der Wertermittler eine Anzeige des Pachtenden wegen Hausfriedensbruchs.

Herr Kleins Parzelle: Das wird in die Wertermittlung aufgenommen

Herr Kleins Garten wird nun von einem durch den Vorstand beauftragten Wertermittler begutachtet. Die Parzelle enthält unter anderem eine Gartenlaube mit einer Grundfläche von 19,75 Quadratmetern. Herr Kleins Lebensgefährtin, Frau Obst, hatte über die letzten Jahre einen Birnenbaum sowie mehrere Beerensträucher gepflanzt.

Auch der Kompost kann – wenn erhaltenswert – in die Wertermittlung einfließen
Quelle:Bernard Dejean, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Gesäumt werden diese von Beeten mit Zierblumen, die das Paar mit Randsteinen und Wegplatten umrandet und zugänglicher gemacht hat. Die hinter der Laube befindlichen Regentonnen und der Kompost, die Herr Klein und Frau Obst vom Vorpächter übernommen hatten, fielen dem Wertermittler ebenfalls auf. Das Gartentor wurde auch vom Vorpächter übernommen, stammt ursprünglich jedoch vom Verein.

Wird alles in der Parzelle zur Wertermittlung herangezogen?

Nein. Im obigen Beispiel gibt es eine Ausnahme. Warum diese nicht zum Gesamtwert von Herrn Kleins Parzelle hinzukommt, erklären wir im folgenden. Außerhalb von Herrn Kleins Beispiel gibt es außerdem noch zwei weitere Ausnahmen.

Die erste Ausnahme: Eigentum des Vereins

Der Wertermittler kann das Gartentor von Herrn Kleins Parzelle nicht zum Gesamtwert der Überlassenschaften hinzurechnen, da dieser vom Verein gestellt wurde und dem Pächter durch die Überlassung kein auszugleichender Verlust entsteht. Ansonsten sind alle oben genannten Einrichtungen, Bauten und Pflanzen für die Wertermittlung heranzuziehen. Das gilt darüber hinaus auch für:
  • Aufwuchs; dazu gehören Obstbäume, Beerensträucher, Erdbeeren, mehrjährige Kräuterbeete, Spargel, Ziergehölze, Hecken, Staudenbeete, Rasenflächen usw.
  • Mauern und Palisaden, die zur Hangbefestigung eingebaut sind sowie Einfriedungen wie Zäune & Gartentore
  • Wege, die gepflastert, mit Betonplatten oder Rindenmulch usw. belegt sind
  • Bauten & Einrichtungen wie Bewässerungsanlagen, Wasserspeicher, Kompostbehälter, Frühbeetkästen usw.
  • Gewächshäuser (wenn genehmigt)

Die zweite Ausnahme: Nicht bewertbare Bauten & Installationen

Neben der ersten Ausnahme (Bauten und Einrichtungen, die dem Verein gehören) gibt es eine zweite Gruppe von Ausnahmen bei der Wertermittlung. Diese Objekte sind von dem scheidenden Pächter zu entfernen oder fließen nicht in die Bewertung ein. Bei Herrn Kleins Parzelle trifft jedoch nichts davon zu. Dazu zählen:

  • Biotope & Pergolen sowie Anpflanzungen, die durch ihr hohes Alter, Krankheit usw. abgängig sind oder den Rahmen der kleingärtnerischen Nutzung überschreiten sind nicht bewertbar. Ebenso:
  • Fahnenmasten
  • Innenausstattung der Laube 
  • Werkzeuge & Maschinen
  • Geräte & mobiles Inventar
  • Einzelstehende Gerätehäuser müssen entfernt werden
Die Laube ist Gegenstand der Wertermittlung, die Einrichtung nicht
Quelle: Sebastian Martin Dicke, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Die dritte Ausnahme: Illegale Bauten & Installationen

Der Verbleib aller dieser nicht bewertbaren Objekte kann in einer Einigung außerhalb der Wertermittlung zwischen den Pächtern vereinbart werden. Dies gilt, sofern die Objekte genehmigt sind bzw. der geltenden Garten- und Bauordnung nicht widersprechen. Solche Objekte steigern den Wert der Parzelle ebenfalls nicht. Sie können sogar zu einer Wertminderung durch das Entstehen zusätzlicher Kosten (zum Beispiel für die Entsorgung) führen.

Welche Abzüge sind vorzunehmen?

Abzüge schmälern den Gesamtbetrag, der letztendlich nach der Wertermittlung von dem neuen Pächter abzugelten ist. Auch Herr Klein muss bei der Wertermittlung seiner Parzelle einige Abzüge akzeptieren. Abzüge fallen nicht nur bei unrechtmäßig errichtete Bauten und Bepflanzungen an, sondern ebenfalls bei folgenden Punkten:

  • Verschiedene Rekultivierungsarbeiten (zum Beispiel abgängige Anpflanzungen, Wildwuchs & Verunkrautung)
  • Die Aufwendungen zur Behebung von Pflegerückständen & Baumängeln
  • Abbruch & Beseitigung nicht genehmigter oder nicht erhaltenswerter baulicher Anlagen
  • Containerkosten (wenn notwendig & tatsächlich angefallen)
Nicht selten werden nach der Gartenübergabe Rekultivierungsarbeiten notwendig
Quelle: Phaceliasdream, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Welche Abzüge fallen bei Herrn Klein an?

Bei der Wertermittlung werden die Regentonnen hinter der Gartenlaube abschließend genau betrachtet. Der Kunststoff der Tonnen und der zu ihnen führenden Regenrinnen scheint über die letzten Jahre spröde und brüchig geworden zu sein. Sie sind an mehreren Stellen undicht, nicht reparabel und damit nicht erhaltenswert. Herr Klein muss für die ordnungsgemäße Entfernung und Entsorgung sorgen.

Für Instandhaltungsmaßnahmen der Gartenlaube sind Kosten für Material und Arbeit anzusetzen. Das kann zum Beispiel auch notwendig werden, wenn Fenster oder Windfänge durch die Witterung morsch geworden sind. Auch der verwitterte Anstrich der Außenwände stellt einen solchen Fall dar.

Wie hoch sind die Abzüge bei einer Wertermittlung im Allgemeinen?

Bewährt hat sich ein Stundensatz. Dieser kann sich idealerweise am Stundensatz für nicht geleistete Gemeinschaftsarbeit orientieren. Wenn Containerkosten zur Beseitigung diverser Objekte oder großer Mengen Grünschnitt entstehen, können diese ebenfalls mitberechnet werden. Diese müssen jedoch tatsächlich angefallen sein und belaufen sich auf die exakten Kosten der Containerbereitstellung und späteren Entsorgung.

Autor:

Rolf Rosendahl

Vorsitzender des Landesverbandes Westfalen und Lippe der Kleingärtner e.V.